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Das erste Mal zu Miete

Bild zum Thema Das erste Mal zu Miete
Erika Kaatzsch ist eine Institution in Vehlefanz, einem Ortsteil von Oberkrämer – Ortsvorsteherin und Seniorenbeiratsvorsitzende. Viel hat sie auf den Weg gebracht in ihrer langen Amtszeit, z.B. 2005 das weithin bekannte „Haus der Generationen“, wo Alt und Jung ihre Freizeit verbringen.
“Mein Hobby ist die Arbeit“ sagt sie, obwohl sie die 80 längst erreicht hat. Mit ihrem jüngsten Projekt – der Alten Schule für die „Alten“ - hat sie etwas Großes für sich selbst auf den Weg gebracht und wollte damit doch wieder Vorbild für andere sein.
„Man muss den Absprung hinbekommen, wenn die Kräfte nachlassen“, so ist ihre Devise. Es war eine sehr schwere Entscheidung für sie, ihren großen Hof aufzugeben, sich von all den vielen Lebenserinnerungen zu trennen und zum ersten Mal Mieterin zu werden. „Man muss seine Situation im Alter anerkennen“, sagt sie. Und auch, dass man sich um den Erhalt der Dorfsubstanz kümmern muss. „So ein Haus muss in junge Hände“, sie konnte es nicht mehr erhalten. Aber es war ein schweres Jahr für sie, psychisch und physisch. 60 Jahre hatte sie darin gewohnt, dort ist ihr Sohn geboren und auch nach dem Tod ihres Mannes hat sie sich ihr Leben dort eingerichtet.
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Es war eine Entscheidung für mehr Sicherheit, für Gemeinschaft und doch für ein selbständiges Leben im Alter. Als sie merkte, dass das große Grundstück, die Erhaltung des Hauses allmählich zur Last wird, hat sie darüber nachgedacht, was ihr wichtig ist und wie man das in ihrem Ort umsetzen könnte. Bereits vor knapp 10 Jahren, bei einer Tagung zum Wohnen im Alter in Templin, hat sie sich Beispiele angeschaut und gesagt, „das bekommen wir auch hin“. Der Weg war lang, aber für das Schmuckstück hat es sich auch gelohnt. Möglich wurde das nur, weil ein engagierter Bürgermeister und die Abgeordneten dahinter standen, dass die Kommune für alle Generationen etwas tun muss.
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Durch den Anbau an die alte Schule im Ort sind 18 Wohneinheiten entstanden, altersgerecht und mitten im Ort. Es sind Zweiraumwohnungen, drei davon rollstuhlgerecht. Fahrstuhl, Laubengang und ein großes Grundstück gehören dazu. Ca. 52 m² groß sind die Wohnungen und kosten 540 € warm. Im Haus haben sich auch eine Ärztin und eine Tagespflege angesiedelt. Alles, was man braucht, ist fußläufig erreichbar- Kaufhalle, Apotheke, Post, Bank, Physiotherapie, die Bushaltestelle und natürlich das Haus der Generationen. Da gehen viele Bewohner schon regelmäßig hin.

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„Ich will meine Spur weiterleben, so wie ich bin“, beschreibt Frau Kaatzsch ihren Anspruch, „meine Blumen machen, kochen und backen, Besuch verwöhnen“. Ihr Auto steht auf dem Hof. Die Treppe dahin geht sie jeden Tag mehrmals, damit sie in Übung bleibt. Im Laubengang steht ihr Blumenregal und wartet auf den Frühling. Vom Balkon aus hat sie einen wunderschönen Ausblick. Das genießt sie sehr. Die Wohnung reicht ihr aus und ist gut zu bewältigen. Sie hat sich schön eingerichtet. Vor allem hat sie sich eine tolle Küche geleistet, mit vielen Besonderheiten, die ihr die Arbeit erleichtern und auf die sie ganz stolz ist. Viele Gedanken hat sie sich darüber gemacht. Was brauche ich, wie viel will ich selbst kochen, wie kann der Platz sinnvoll genutzt werden? Und so hat sie jetzt an einer Seite der Küche Schränke, die sind nicht Normgröße, sondern nur so breit wie die Teller. So hat sie mehr Bewegungsfreiheit. Das hat sie sich anfertigen lassen. Durch den Verkauf des Hauses konnte sie sich das ja auch leisten. Die Dusche ist ebenerdig, überall ist viel Bewegungsfreiheit. Sie fühlt sich jetzt sehr wohl in ihrer neuen Wohnung Und ihr Sohn ist erleichtert. Wie oft hat er sich Sorgen um seine Mutter und den Hof gemacht im fernen Strausberg, bei Sturm und Schnee.
Ihr gefällt auch sehr, wie sich die Gemeinde als Eigentümer engagiert. Die Gemeindearbeiter pflegen die Grünanlagen, gucken nach den Wohnungen, kümmern sich. Wenn mal etwas ist, sind sie der erste Ansprechpartner.
Natürlich hat Frau Kaatzsch sich von Anfang an auch um die Gemeinschaft gekümmert, das ist ihr Wesen. Das erste war der gelungene Kennenlerntag, Sie hat Einladungen für alle geschrieben und verteilt. Sie hat die Bierzeltgarnituren organisiert und für Erdbeerbowle und Frühstück gesorgt. Viele sind gekommen. Schritt für Schritt sind kleine Gruppen entstanden und immer wieder neue Aktivitäten. Z.B. hat sie mit ihren Nachbarn eine Fahrt durch den Ort organsiert. In das Haus sind vor allem Menschen aus den umliegenden Orten gezogen oder auch von weiter weg. Die sollen ja nun alle wissen, wie das so aussieht in Vehlefanz und wo man hingehen kann. Und auch das Gartenprojekt steht noch an. Es soll ein Garten für alle Generationen werden und die alte und neue Schule verbinden.
Frau Kaatzschs Engagement hat sicher auch mit ihrer Biografie zu tun. Als Bauerntochter in einer großen Wirtschaft in Vorpommern aufgewachsen mit 4 Geschwistern, da muss man früh ran. 10 Jahre alt war sie, als sie mit ihrer Mutter auf den Treck gingen – 3 Wochen unterwegs im Januar 45. So kamen sie nach Börnicke ins Havelland. Sie erinnert sich, wie sie als Flüchtlinge am Anfang zu sechst in einem Zimmer auf Stroh schlafen mussten. Dort hat sie dann im Konsum gelernt, wurde Lehrausbilderin und später im Fernstudium Ökonompädagogin. Viele Jahre hat sie sich um die Ausbildung innerhalb der Konsumgenossenschaft gekümmert. Immer ging es ihr um Menschen. Wie heute auch. Für ihr Engagement ist sie 2013 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden.
Das Richtfest für die Alte Schule war für sie ein ganz großer Augenblick, da wollte sie ganz oben sein. Gegen die Warnungen aller hat sie es auch geschafft und 11 Schläge gemacht. Für ihr neues Leben!
Eintrag vom 18.08.2017 unter »Praxisbeispiele: Normales Wohnen«
 
 
Ein Projekt des Fördervereins Akademie 2. Lebenshälfte im Land Brandenburg e.V.